Physiknobelpreis 1944: Isidor Isaac Rabi

Physiknobelpreis 1944: Isidor Isaac Rabi
Physiknobelpreis 1944: Isidor Isaac Rabi
 
Der gebürtige Ungar wurde für die Entwicklung der Resonanzmethode zur Bestimmung von magnetischen Momenten, angewandt auf Molekül- und Atomstrahlen, ausgezeichnet.
 
 
Isidor Isaac Rabi, * Rymanów (Galizien, heute Polen) 29. 7. 1898,✝ New York 11. 1. 1988; 1916-19 und 1922-26 Studium an der Cornell University in New York, 1929-67 Physikprofessor an der Columbia University in New York, 1940-45 Radarforschung am Radiation Laboratory in Cambridge (Massachusetts), 1946-56 Berater der US-Atomenergiebehörde; wies den Kernspin des Natriums nach, entwickelte die Atomstrahlresonanzmethode, bestimmte magnetische Kernmomente.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Obwohl nicht in diesem Land geboren, fühlte sich Rabi Zeit seines Lebens ungewöhnlich stark mit den USA verbunden. Er legte großen Wert auf die Feststellung, dass seine Geschichte klassisch amerikanisch sei — nämlich die des Aufstiegs vom Kind armer Immigranten zum Nobelpreisträger.
 
 Wie das elektrische Licht funktioniert
 
Der als kleines Kind in die USA emigrierte Rabi wuchs in New York in ärmlichen Verhältnissen in einer streng jüdischen Umgebung auf. Schon früh interessierte sich der wissbegierige Junge für physikalische Themen. So las er bei seinem Bar-Mizwa nicht etwa wie die anderen Jungen einen Auszug aus der Thora vor, sondern entschied sich für das reichlich unorthodoxe Vortragsthema »Wie das elektrische Licht funktioniert«.
 
Rabis Ausbildungsweg sollte nicht unbedingt gradlinig verlaufen. So schrieb er sich an der New Yorker Cornell University für ein Elektroingenieursstudium ein, sein Abschluss bestand jedoch in einem Chemiediplom. Sein eigentliches Interesse aber, so erklärte er noch Jahre später amüsiert, galt jenem Teil der Chemie, von dem er damals noch nicht wusste, dass man ihn »Physik« nannte. Nach dem Studium schlug er sich mehrere Jahre lang als Buchhalter und größtenteils als Arbeitsloser durch, bis es ihn zurück an die Universität zog, wo er 27-jährig in Physik promovierte. Hier packte ihn auch die Faszination der in Europa aufblühenden Quantenmechanik.
 
 Bei den Quantenmechanikern in Europa
 
Rabis Wissensdrang ließ sich nicht aus der Ferne durch Zeitschriften und andere Publikationen stillen — ein zweijähriges Stipendium führte ihn zusammen mit seiner Frau Helen nach Europa, wo er direkte Kontakte mit den weltberühmten Quantenphysikern knüpfen wollte. Denn, so erschien es ihm, »wir kannten zwar das Libretto, aber wir mussten die Musik lernen«. In Europa begegnete Rabi zahlreichen Größen der Physik wie Arthur Sommerfeld in München und Niels Bohr (Nobelpreis 1922) in Kopenhagen. Den Höhepunkt seiner Reise stellte jedoch zweifellos sein langer Aufenthalt in Hamburg dar. Die Atomstrahl-Methode Otto Sterns (Nobelpreis 1943) zum Nachweis der Richtungsquantelung faszinierte ihn, und nach einiger Überlegung schlug er dem deutschen Kollegen eine Abänderung in dessen Experiment vor: Statt des schwer messbaren inhomogenen Magnetfelds ließe sich der Versuch bei geeigneter Anordnung auch mithilfe eines homogenen magnetischen Felds durchführen. Stern war von Rabis Idee angetan und bot ihm an, sie in seinem Laboratorium in die Tat umzusetzen. Rabis Leidenschaft für die Experimentalphysik hielt sich damals zwar sehr in Grenzen, doch ein solches Angebot wollte er nicht ausschlagen. So verbrachte er das Jahr 1928 in Sterns Labor und konnte am Ende ein stolzes Ergebnis vorweisen: Seine wesentlich präzisere Messmethode bestätigte ebenfalls die Aufspaltung des Strahls in zwei Teilstrahlen.
 
 »Näher zu Gott«
 
Zurück in den USA nahm er 1929 einen Lehrauftrag der Columbia University in New York an. Nicht gerade niedrig waren seine Ansprüche an die Studenten. Kam einer mit einer neuen Idee auf ihn zu, so lautete seine erste Frage: »Bringt es Sie näher zu Gott?«, was soviel bedeuten sollte wie: »Ist die Sache grundlegend genug, um Ihr Weltbild zu verändern?«
 
Es sollte sich herausstellen, dass es die Molekularstrahlen sein würden, die Rabi selbst ein Stück »näher zu Gott« brachten. Stern war es Anfang der 1930er-Jahre gelungen, die Größenordnung des magnetischen Moments des Protons zu bestimmen, und Rabis Ziel war es, diese Messungen zu verfeinern. Auch er wollte Atom- bzw. Molekülstrahlen durch ein inhomogenes Magnetfeld ablenken, doch er fügte Sterns ursprünglichem Feld ein weiteres hinzu, das in Gegenrichtung des ersten zeigte und somit zu einer Refokussierung des Strahls auf einen Austrittsspalt führte. Dann baute er zwischen diese beiden ein weiteres Feld ein, das so genannte T-Feld, das derart angeordnet war, dass es in Bezug auf den einfallenden Atomstrahl rotierte. Dieses sorgte nun dafür, dass der Spin einiger Teilchen des Strahls umklappte. Da ein Teilchen mit umgeklapptem Spin vom letzten Magnetfeld nicht wieder auf den Austrittsspalt refokussiert werden konnte, ließ sich die Anzahl der den Spalt passierenden Atome oder Moleküle durch das T-Feld beeinflussen.
 
1938 gelang ihm seine wohl entscheidendste Verbesserung des Verfahrens: Er ersetzte das rotierende T-Feld durch ein auf Radiofrequenz oszillierendes magnetisches Feld, das sich mit einem konstanten magnetischen Feld überlagerte. Hatte das oszillierende Feld die geeignete Frequenz, nämlich die so genannte Resonanzfrequenz, so induzierte es Übergänge zwischen Zuständen mit paralleler beziehungsweise antiparalleler Einstellung des magnetischen Moments zum konstanten Magnetfeld. Durch Messung der Resonanzfrequenz konnte Rabi die Größenordnung des magnetischen Moments des Protons auf das 2,76- bis 2,8fache des Kernmagnetons bestimmen: Die Resonanzmethode war gefunden!
 
 Der persönliche Krieg
 
Als die Verwicklung der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg abzusehen war, begann Rabi, am Radiation Laboratory in Cambridge, USA, zu arbeiten. Die dort betriebene Radarforschung stellte einen wesentlichen Bestandteil der alliierten Rüstungsforschung dar, und Rabi engagierte sich mit Leib und Seele. Selbst ein Jude, fühlte er die Gefahr durch das nationalsozialistische Deutschland verstärkt und bekannte später: »Ich nahm den Krieg persönlich.«
 
Auch am amerikanischen Manhattan Projekt in Los Alamos (New Mexico) nahm er teil, allerdings überwiegend in beratender Funktion.
 
Inmitten der Kriegswirren erreichte eine freudige Nachricht das Rad Lab — der Physiknobelpreis des Jahres 1944 war an Rabi verliehen worden. Überreicht wurde ihm dieser aus Sicherheitsgründen allerdings nicht in Schweden, sondern in New York, und zwar durch den altersblinden Präsidenten der Columbia University, der den Geehrten bei seiner Rede mehrfach mit »Fermi« (Nobelpreis 1938) ansprach. In den folgenden Jahren übernahm Rabi mehrfach Aufgaben, die über seine Arbeit als Physiker hinausgingen. Er war jahrelang Berater der frisch ins Leben gerufenen Atomenergie-Kommission und setzte sich für den friedlichen Einsatz der Atomenergie ein. Seine philosophischen Abhandlungen über die moralischen Verpflichtungen der Wissenschaft blieben nicht ungehört und haben zweifellos auch nach seinem Tod nichts von ihrer Bedeutung verloren.
 
C. Hein

Universal-Lexikon. 2012.

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